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Unternehmen

Im Märzen der Bauer... nach Fadenwürmern schaut

ALB-GOLD setzt auf regenerative Vertragslandwirtschaft

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Es ist ein regnerischer Tag Ende Januar in Salem. Über dem hügeligen Hinterland des Bodensees hängen tiefe Wolken. Im Winter herrscht oft Nebel und die Feuchtigkeit ist hoch. „Wir bewirtschaften 730 Hektar Ackerland , 50 Hektar Grünland, und weitere 90 Hektar Naturschutzfläche“, erklärt Dr. Nicola Gindele. Als Referentin Landwirtschaft führt sie gemeinsam mit Betriebsleiter Roman Strasser den Markgräflich Badischen Gutsbetrieb, der sich vom Linzgau um Schloss Salem teilweise bis ins Hegau erstreckt. 

Nachhaltigkeit hat Tradition
Die Feuchtigkeit und der aktuell wieder höhere Grundwasserstand ist trügerisch. Denn auch hier „am See“, kommt es immer häufiger zu Extremwetterlagen, die im Sommer zu langen Trockenperioden führen können. „Wir sind mit unserer ökologisch-regenerativen Wirtschaftsweise auf dem richtigen Weg“, erklärt Betriebsleiter Strasser. Denn gesunde Böden können nach dem Schwamm-Prinzip viel Wasser aufnehmen und speichern. Außerdem ermöglichen sie den Pflanzen tief zu wurzeln und geben die Feuchtigkeit langsam wieder ab. Auf Wunsch von Bernhard Markgraf von Baden wurde der Hof 2019 auf Bio nach Naturland-Richtlinien umgestellt. Er hatte beim Blick aus dem Schloss auf den Leopoldsberg, ein sehr hügeliger Acker, den stetigen Bodenverlust beobachtet und handelte. Denn Nachhaltigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette hat in der Adelsfamilie eine lange Tradition. Schließlich gilt es, den Besitz in bestem Zustand an die nächste Generation weiterzugeben.  

Bodenschatz
„Der Boden ist unser größtes Kapital“, erklären die beiden Chefs unisono. Sie sind vom wissenschaftlichen Ansatz der regenerativen Landwirtschaft überzeugt. Das Ziel ist die Verbesserung der Bodenqualität allgemein sowie der Humusaufbau und die damit verbundene CO₂-Speicherung. Und wenn im Märzen der Bauern die Rösser anspannt, dann steigt auch auf dem markgräflichen Hof die Betriebsamkeit. Bereits in den Wintermonaten wurden Milchsäurebakterien vermehrt, die die Verrottung von Ernterückständen fördern und helfen, die Fruchtbarkeit zu verbessern. Klassisch gepflügt wird hier nur selten. Der Pflug zerstört die Bodenschichtung, und nimmt den auf bestimmte Ebenen spezialisierten Lebewesen die Nahrung und den Lebensraum. Milliarden von Bakterien, Pilzen, Fadenwürmern, Springschwänzen und natürlich Regenwürmern finden sich unter der Erde. Pro Quadratmeter rund eineinhalb Kilogramm, die für einen lebendigen und aktiven Boden sorgen. 

Bauernhof ohne Tiere?
Apropos Regenwürmer. „Das sind unsere Hof-Tiere“, erklärt Nicola Gindele mit einem Augenzwinkern. Ein überdimensionaler Wurmkomposter mit 10 Kubikmetern Laub/Erde-Gemisch steht neben den Garagen der Landmaschinen. Das Wurmkompostprojekt des Helmholtz-Institut München und der TU-München-Weihenstephan soll erforschen, wie sich die Ausscheidungen der Würmer auf Pflanzenwurzeln auswirken. Dazu wird ein Extrakt gewonnen, der an die Samenkörner angeimpft wird. Nicht nur die oben aufgezählten Bodenlebewesen tragen zum Gelingen der Bewirtschaftung bei. Eine weitere wichtige Rolle spielen Schafe der ortsansässigen Schäferei Gulde. Sie helfen das Grasland zu pflegen und werden ebenso in die Fruchtfolge integriert. Durch das Abgrasen von Kleegras und Zwischenfrüchten wird das Wurzelwachstum auf den Böden gefördert, was wiederum vor Erosion schützt. Und der natürliche Dünger der Merinos erhöht die Bodenfruchtbarkeit. 

Gemeinsam stark und resilient 
Langfristige Partnerschaften, ob zwischen dem Hofgut und der Schäferei, Bodenlebewesen oder auch den Abnehmern der erzeugten landwirtschaftlichen Produkte, stärken die nachhaltige Wirtschaftsweise und die Resilienz des Betriebs. „Für uns ist es der Idealfall, wenn die Kunden unseren Weg mitgehen und uns langfristige Verträge anbieten“, erklärt Nicola Gindele. So kann der Betrieb verlässlich wirtschaften und sich auf seine landwirtschaftlichen Tätigkeiten konzentrieren. Ein neuer Partner ist seit letztem Herbst der schwäbische Teigwarenhersteller Alb-Gold. Fünfundachtzig Hektar Bio-Dinkel wurden für die Produktion von Spätzle und Nudeln ausgesät. 

Umso erfreulicher, dass bei der gemeinsamen Feldbegehung nach einigen Tagen mit Dauerfrost und strengen Minustemperaturen das Getreide ausgezeichnet steht. Firmenchef Oliver Freidler nutzt das Modell der Vertragslandwirtschaft bereits seit über zehn Jahren für die Rohstoffbeschaffung. „Wir haben den regionalen, deutschen Hartweizen in Deutschland wieder auf die Karte geholt“, erklärt der Geschäftsführer. Allerdings gilt dies derzeit nur für den konventionellen Nudelweizen. In Salem wurden daher als Versuch sieben Hektar Bio Hartweizen ausgebracht. Und nur wenige Kilometer von Salem forscht das Keyserlingk-Institut, unterstützt vom Nudelhersteller, seit rund fünfzehn Jahren an einer neuen Bio-Hartweizensorte. „Wir haben eine grandiose Kulturlandschaft mit kompetenten und experimentierfreudigen Landwirten zwischen Alb und Bodensee. Und wir könnten durch neue Anbaumethoden und Sorten von den Klimaveränderungen profitieren“, gibt sich Oliver Freidler zuversichtlich. Für ihn steht fest, dass die ökologisch-regenerative Landwirtschaft zukunftsweisend ist. Er plant zukünftig, bei Entscheidungen für Rohstofflieferanten, dieser Bewirtschaftungsform mehr Bedeutung zu geben. 

In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob die Rechnung aufgeht. Ob mehr Landwirte auf Bio und regenerative Landwirtschaft umstellen werden. Wie sich die Anbaubedingungen und das Klima genau verändern werden, weiß niemand ganz genau. Sicher ist aber, dass solche Kooperationen zwischen Hersteller und Erzeuger ein Gewinn für alle Partner und die gesamte Natur sind – von der Bodenmikrobe bis zum Fadenwurm.

INFO Markgräflich Badischer Gutsbetrieb