[ Trochtelfingen, 15. März 2017 ] Die Rösser spannt in der heutigen Zeit vermutlich kein Bauer mehr ein. Vielmehr setzen viele Landwirte mit satellitengesteuerten Traktoren inklusive Internetanschluss auf Hightech. Das Landleben hat sich, wie alle Lebensbereiche in unserer hoch technisierten Zeit, ebenso gewandelt. Umso wichtiger ist es daher persönliche Kontakte im Rahmen von Partnerschaften zu pflegen. Aus diesem Grund hat der schwäbische Nudelhersteller Alb-Gold seine Vertragslandwirte für den Hartweizenanbau in Deutschland zu einem Austausch nach Trochtelfingen eingeladen. Mit Fachvorträgen, einer Betriebsbesichtigung und natürlich einem intensiven Erfahrungsaustausch wurde den Bauern aus ganz Deutschland ein interessantes Programm angeboten.
Regionalität weiter definiert
Zum Start der Veranstaltung erklärte Oliver Freidler mit Stolz, dass sämtliche Hausmacher Eiernudeln seit dem Jahreswechsel mit dem Hinweis „Zutaten aus 100% deutscher Landwirtschaft“ gekennzeichnet sind. Er betonte, dass dies der Erfolg aller an der Wertschöpfungskette Beteiligten sei. Noch vor wenigen Jahren war man überzeugt, dass die Spätzle- und Nudelherstellung aus deutschem Hartweizen unmöglich sein wird. Doch 2013 bei einem Besuch bei Landhändlern im oberen Rheintal merkte er, dass durchaus Chancen bestehen könnten. Als Mitglied der Geschäftsleitung hat er in den letzten drei Jahren viel Zeit damit verbracht, Landwirte in ganz Deutschland für das bisher einmalige Projekt zu finden. Zum Hartweizentag waren rund 70 Landwirte sowie Vertreter der Wissenschaft, von Landhandel und Mühle gekommen, unter denen zahlreiche Dialekte zu hören waren. Die Folgerung und Realität: Regionalität muss im Zusammenhang mit Hartweizen weiter gefasst werden. „Für uns ist es die kürzeste Entfernung innerhalb Deutschlands, in der Hartweizen unter Berücksichtigung der vorgegebenen Qualität sowie den jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten verfügbar ist“, erklärt Freidler. Sehr wichtig sei für den Betrieb vor allem auch die regionale Diversifizierung, um das Risiko eines Totalausfalls bei der Ernte zu minimieren. Als Betrieb mit landwirtschaftlichen Wurzeln liegt dem Juniorchef der enge Kontakt zur Urproduktion sehr am Herzen. Genauso wichtig für ihn als junger Unternehmer ist die Einbeziehung der ökologischen Aspekte in alle unternehmerischen Entscheidungen. Freidler betonte, dass das Unternehmen sich nicht von den volatilen Rohstoffmärkten zum Reagieren zwingen lassen möchte, sondern selbst agieren will. Er sieht in dem Regionalkonzept keinesfalls nur das i-Tüpfelchen für die Markenprodukte. Für ihn ist diese Ausrichtung ein maßgeblicher Punkt in der Gesamtfirmenphilosophie und somit nicht Strategie sondern eine Grundhaltung.
Hartweizen – das anspruchsvolle Sensibelchen
Äußerst erfreut war Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim über die zahlreiche Beteiligung beim Hartweizentag. Er stellte neueste Erkenntnisse aus den Bereichen Anbau und Züchtung vor. Hartweizen, auch Durum genannt, ist das Sensibelchen unter den Getreidesorten, das aber zu einer rentablen Alternative für Landwirte werden kann. Er benötigt deutlich mehr Aufmerksamkeit und Pflege als der großflächig bei uns angebaute Weichweizen. Hartweizen mag sommertrockenes, warmes Klima und kann in Deutschland in Weinbauregionen gedeihen. Derzeit wird Durum auf rund 25.000 Hektar in unserem Land kultiviert. Dies ist nicht einmal ein Prozent der Fläche von Weichweizen. Und auch der Ertrag pro Hektar liegt rund 25 Prozent unter dem des Weichweizens. Die durchweg recht guten Böden und die kompetente Landwirtschaft in Deutschland sprechen für den deutschen Durum. Und obwohl die Züchtung wegen der geringen Bedeutung nicht gerade auf Hartweizen setzt, gibt es mittlerweile ausgezeichnete Sorten für den Winteranbau mit Aussaat im Spätherbst. Dies bringt vor allem den Vorteil, dass die Ernte im Sommer früher erfolgen kann und auch der Ertrag ist beim Winterdurum meist höher als bei der im Frühjahr ausgebrachten Form. Abschließend stellte Longin eine Studie der Uni Hohenheim vor, aus der hervorgeht, dass der deutsche Durum in zahlreichen Bereichen einen deutlichen Vorteil gegenüber importiertem Hartweizen hat. Nicht nur die Transportwege sind deutlich geringer, was zu enormer CO2 -Einsparung führt, auch die Ausbeute pro Hektar bei verhältnismäßig effizienterem Düngereinsatz ist bei uns höher. Zu guter Letzt lobte er das Getreide noch aufgrund des ernährungsphysiologischen Vorteils. Es enthält deutlich mehr Lutein, ein Carotinoid, welches für das menschliche Sehen von großer Bedeutung ist, als beispielsweise Hartweizen in italienischen Nudeln.
Zusammenfassend empfahl Longin, beim Durumanbau auf langfristige Partnerschaften zu setzen. Denn nach seinen Erfahrungen erreichen zwei bis drei von zehn Ernten aufgrund von Wetterkapriolen nicht die gewünschte Qualität. Entsprechend langfristige Verträge und feste Abnehmer sind dann Gold wert. Das Modell mit dem Nudelhersteller als sicheren Abnehmer hält er für beispielhaft.
Mühle und Nudelherstellung
Die Landwirte freut es, dass sie nicht für den Weltmarkt beziehungsweise eine anonyme Verwendung produzieren. Sie kennen die Produkte, in denen ihr Getreide Verwendung findet und wissen, auf was in jeder einzelnen Phase des Anbaus zu achten ist. Für Melanie Däubler von der Hildebrandmühle in Mannheim ist dies ein ganz wichtiger Faktor für die erfolgreiche Kultivierung. Sie betonte, dass nicht die Mühle die Qualitätsparameter vorgibt, sondern der Nudelhersteller, oder noch präziser der Lebensmittelhandel und damit jeder einzelne Kunde. Spätzle und Nudeln wünschen sich die Konsumenten in möglichst gelber Farbe. Daher sind ein hoher Gelbpigmentanteil, die Glasigkeit und geringe Fleckigkeit des Getreides besonders wichtig. Dies bestätigte auch Michael Köstler, Betriebsleiter bei Alb-Gold. Oberste Priorität haben für ihn die eigenen Qualitätsvorgaben und die gesetzlichen Richtlinien, die im Lebensmittelbereich sehr streng sind. Für Köstler ist ein weiterer ganz wichtiger Pluspunkt des deutschen Durums der Aspekt der Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Dies lasse sich in der gläsernen Produktion in Trochtelfingen an die Besucher ideal vermitteln.
Abschließend lobte die Vertreterin der Hartweizenmühle die Landwirte und die von ihnen erzeugte Qualität. In Mannheim werden jährlich rund 140.000 Tonnen Getreide vermahlen und über die Jahre gesehen, muss sich der der deutsche Durum keinesfalls vor dem aus Italien verstecken.
Erfahrungsaustausch über alle Stufen
Dicke, dünne, lange, gedrehte und gerade Teigwaren werden in Trochtelfingen aus deutschem Hartweizen hergestellt. Die Landwirte waren überrascht über die Sortenvielfalt und natürlich auch über die Dimensionen einer solchen Lebensmittelproduktion. Auch das Silo mit ihrem Rohstoff konnten sie bestaunen, aus dem automatisch über Rohrleitungen die benötigte Menge abgezogen wird. Da rieselt, dampft und knistert es beim Gang durch die gläserne Produktion und am Ende kommen goldgelbe Spätzle und Nudeln raus.
Das Gipfeltreffen war für alle ein Tag mit vielen Informationen und ein äußerst interessantes Forum für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Man war sich einig, dass das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen der Herausforderungen auf jeder Ebene für den Erfolg des Gesamtprojekts unerlässlich ist. Alle können voneinander lernen - und dies vor allem über die Produktionsstufen hinweg. Mit gestärktem Zusammengehörigkeitsgefühl machten sich die Landwirte auf den Heimweg in die einzelnen Regionen Deutschlands. Natürlich nicht auf dem Traktor oder gar hoch zu Ross, aber mit ein paar schwäbischen Spätzle aus eigenem Hartweizen und reichem Erfahrungsschatz für die neue Ernte.