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Unternehmen

Nudelgetreide mit Mehrwert

Biodiversitätsförderung in der Landwirtschaft – ein Zugewinn für alle Beteiligten

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[ Trochtelfingen, den 26. Juli 2021 ] Sanft wiegen sich die Ähren mit ihren langen Härchen im Wind. Das Getreide steht gut in diesem Jahr. Die Niederschläge haben sich positiv auf das Wachstum des Hartweizens ausgewirkt. Jetzt, kurz vor der Ernte, benötigt der Rohstoff für Spätzle und Nudeln viel Wärme und Trockenheit.

Oliver Freidler lässt seinen Blick über die Felder am Rande der Hassberge in Unterfranken schweifen. Immer wieder blitzen bunte Flecken durch. Zwei Tage lang fährt er von der Schwäbischen Alb aus Richtung Osten und besucht Landwirte, die Nudelgetreide für ihn anbauen. Landwirt Andreas Gerner ist heute an seiner Seite. Beide halten vor einem dieser Farbtupfer in der Landschaft. Es brummt und summt. In unterschiedlichen Farben leuchten Natternkopf, Kornblume, Kamille, Labkraut und der gewöhnliche Dost. Ihre Blüten sind ausgezeichnete Nektar- und Pollenquellen. Die fünfjährige Blühfläche ist eine Oase für Insekten, aber auch für die menschlichen Sinne. Sie bietet zudem Struktur, Deckung und Nahrung für Wildtiere. So funktioniert Ackerbau für Lebensmittel in Kombination mit Umwelt- und Naturschutz.

Landwirtschaft formt Erscheinungsbild
Seit drei Jahren baut der Landwirt Hartweizen für den schwäbische Nudelhersteller Alb-Gold an. Menschen mit hochwertigen und sicheren Lebensmitteln zu ernähren ist nach eigener Aussage seine Hauptaufgabe. Er sieht sich aber auch als einer von vielen „landwirtschaftlichen Großflächendesignern“. Denn 80 Prozent der Oberfläche Deutschlands werden derzeit von der Land- und Forstwirtschaft bestimmt. Damit übt sein Handeln einen entscheidenden Einfluss auf Umwelt und Natur aus. So besagt es zumindest der Anfang Juli erschienene Abschlussberichts der Zukunftskommission Landwirtschaft, die sich aus rund 40 landwirtschaftlichen Verbänden zusammensetzt. Er selbst weiß dies schon lange.

Förderung von Gemeingut
Mehrjährige Blühflächen und die Extensivierung von einzelnen Ackerflächen sind die beiden Maßnahmen die Gerner umsetzen muss, um Hartweizen an den Teigwarenhersteller liefern zu dürfen. Dieser wiederum honoriert die Leistungen seiner Landwirte mit einer Qualitätsprämie, die im Rahmen des Unternehmensprogramms „Biodiversität im Hartweizenanbau“ gezahlt wird. Die innovativen Schwaben setzen heute bereits privatwirtschaftlich um, was die Zukunftskommission nach der nächsten Bundestagswahl von der Politik erwartet: Die Förderung der Gemeingüter Klima, Umwelt, Artenreichtum und Tierwohl. Handeln die Landwirte im Sinne der gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung, müssen ihnen staatliche Fördergelder winken. So lautet der Appell der Kommission.
Gerner experimentiert gerne. Er weiß, dass eine mehrjährige Fruchtfolge für die Qualität und den Erhalt des Bodenklimas unbedingt notwendig ist. Im Zuge eines Anbauversuchs mit Soja hat er festgestellt, dass die proteinreiche Bohne eine ausgezeichnete Vorfrucht für Hartweizen ist. Jetzt versucht er mehr Soja anzubauen. Nicht nur wegen des Nudelweizens, sondern auch um seinen Teil zur Schonung des Klimas beizutragen. Denn mit jeder Tonne deutschem Soja wird ein Teil des tropischen Regenwalds vor Abholzung geschützt. Knapp 100 Patenschaften für seine Soja-Flächen hat er bereits vergeben. Das verschafft ihm Extraeinkünfte und den Paten ein gutes Gewissen.

Ideenreichtum und Kompetenzzuwachs
Wie vielseitig die Maßnahmen wirken und umgesetzt werden, zeigen auch die Landwirte in anderen Regionen. In Thüringen wurde der mehrjährige Blühstreifen direkt in den Hartweizenacker gepflanzt. Er bildet einen bunten Farbkleks im Getreidefeld, und ist zugleich Rückzugsort und Nahrungsquelle für Insekten und Feldtiere. Die zweijährige Fläche unterscheidet sich stark von der fünfjährigen Mischung in Unterfranken. Laut Experten ist der ökologische Mehrwert nicht unbedingt größer, auch wenn der Streifen geordneter und farbenprächtiger erscheint.
Und im fränkischen Creglingen wurde die Blühmischung rund um eine Insel von Gehölzen und Bäumen angelegt. Rehe, Feldhasen und Rebhühner finden hier Schutz und Ruhe. Das Institut für Agrarökologie und Biodiversitätsförderung (Ifab) beurteilt eine solche Lage als besonders wirkungsvoll. Die Einrichtung berät die Landwirte und macht zugleich auch die Bestandsaufnahme zur Wirksamkeitsüberprüfung der Maßnahmen. Denn was nutzen schön anzusehende Blühstreifen oder lichte Extensiväcker, wenn sie nicht von den Pflanzen und Tieren angenommen werden.

So wächst mit der Durchführung der Maßnahmen neben der landwirtschaftlichen auch die ökologische Kompetenz der Bauern ... und dies wiederum steigert gleichsam den Mehrwert der Spätzle und Nudeln aus Trochtelfingen.